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Das Christinenstift im Wandel der Zeiten

 

Vortrag von Dr. Gisela Born-Siebicke

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anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Christinenstiftes 1998

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Wir alle, die wir hier versammelt sind,  die als Gäste des heutigen Tages der Einladung gefolgt sind, wir sind gekommen, um dem Christinenstift zum 100jährigen Jubiläum unsere Reverenz zu erweisen. -

Wir feiern den Geburtstag eines Hauses und wissen zugleich, dass wir nicht das kalendarische Alter des Bauwerks meinen. Wir bewundern ein Baudenkmal und wissen gleichzeitig, dass wir nicht die historischen Mauern betrachten wollen.

Wir sind vielmehr gekommen, die Idee und den Geist zu würdigen, der die Menschen in diesem Haus seit 100 Jahren zusammenführt, und der das Haus mit Leben erfüllt.

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Der Pantaleonsberg - ältestes Siedlungsgebiet von Unkel und geistiger und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Stadt Unkel bis in die Neuzeit 

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Als sich der Kölner Unternehmer, Kommerzienrat August Libert Neven-DuMont, auf der Suche nach einem geeigneten Anwesen zur Verwirklichung einer Stiftung in Unkel umschaute, hätte er keinen geschichtsträchtigeren Ort finden können als diesen Platz auf dem Pantaleonsberg, hoch über dem Rhein. Hier lebten zweifellos bereits die ersten fränkischen Siedler des 7. und 8. Jahrhunderts; hier stand in kurkölnischer Zeit der Zehnthof des Kölner Domkustos und von hier übte er das Patronatsrecht über die nahegelegene Unkeler Pfarrkirche aus.

 

Nach der Säkularisierung wechselten die Besitzer des Grundstücks in kurzer Folge. Darunter war es besonders die als "Rheingräfin" bekannte Sibylle MertensSchaafhausen mit ihren Freundinnen, den Damen Schopenhauer und Annette von Droste-Hülshoff, die sich vom Zauber des Ortes einfangen ließen.

 

Aus den Briefen Adele Schopenhauers erfahren etwas über das damalige Aussehen des Zehnthofes:

"Der Zehnthof ist eine ehemalige Zehntscheuer mit einem ungeheuren Dach, mit Mansarden und doppelten Böden, einem geräumigen Erdgeschoss und vier niedrigen Stuben im ersten Stock." Weiter heißt es: "Mein neues Heim ist von außen sehr hässlich, von innen sehr nett und bequem. Die Gegend ist eine der schönsten, die ich kenne. Ich habe einen Garten, der mir unsägliche Freude macht, voll der herrlichen Obstbäume, Spargel- und Erdbeerbeete und Aprikosenbäume, wie bei uns die großen Birnbäume. Vor dem Haus eine nicht große, aber sehr hübsche englische Gartenpartie mit ein paar schattigen Lauben, prächtigen Platanen, Ahorn und einer Menge fremder Sträucher und Bäume, die nicht zu nennen weiß." (Vollmer, S. 254)

 

Vom weltläufigen, gebildeten Leben Sybille Mertens-Schaafhausens als anerkannte Archäologin zeugen die antiken korinthischen Kapitelle, die sie von einer ihrer Reisen mitgebracht hatte und die noch heute den Eingang des Christinenstiftes schmücken.

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Die Stiftung von August Neven DuMont -  getragen von christlich-sozialem Bürgersinn in einer  mitverantworteten Zivilgesellschaft

 

1896 erwarb der bekannte Kölner Zeitungsverleger Kommerzienrat August Libert Neven DuMont das Anwesen von dem damaligen Besitzer, dem Unkeler Arzt Dr. Pfahl. Die Familie Neven DuMont bewohnte seit über 30 Jahren einen ausgedehnten Landsitz am nördlichen Rande der Stadt. Der Neven-DuMont-Platz und die Von-Werner-Straße, benannt nach der Tochter Elisabeth Neven DuMont verheiratetet von Werner, sind dem Andenken dieser Familie gewidmet.

 

August Neven DuMont bot das Gesamte Anwesen des Zehnthofes der Stadt Unkel zur Einrichtung eines Hospitals für Unkel und Scheuren an:

Unkel, den 31. August 1896

Herrn Bürgermeister Lieser Hochwohlgeboren hier.

Ich erlaube mir, Ihnen hierdurch mitzuteilen, dass ich von Herrn Dr. Pfahl hier, die in der Gemeinde Unkel belegenen Grundstücke Flur 3 Nr. 175, 176 Wohnhaus und Garten gekauft habe und dass ich bereit bin, den ganze Kaufpreis zu zahlen. Ich bitte um Erklärung, ob die Gemeinde Unkel dem Vertrage beitritt.

Bei dem Akte sind an Herrn Dr. Pfahl achttausend Mark (M. 8.000,00] meinerseits zu zahlen. Dann lastet auf dem Grundstücke zu Lasten des Herrn von Niesewand in Bonn eine Hypothek von M. 32.000,00 – zweiunddreißigtausend Mark –, welche ich gekündigt habe, von dem Herrn angenommen worden ist, und welche ich am 1. März 1897 mit allen Zinsen berichtigen werde.

Sodann schenke ich weiter der Gemeinde M. 10.000,00 – zehntausend Mark – und verpflichte mich weiter zwei Jahre lang, in den Jahren 1897 und 1898, je eintausend Mark Zuschuss zu zahlen und zwar unter folgenden Bedingungen:

Die Grundstücke und Gelder sollen zur Errichtung, Einrichtung und Unkosten eines Hospitals ohne Unterschied der Konfessionen für die Gemeinden Unkel und Scheuren verwandt werden. Falls Platz vorhanden, soll es den Gemeinden gestattet sein, auch andere Kranke und Pflegelinge aufzunehmen. Eine Kinderbewahranstalt und Handarbeitsschule soll damit verbunden werden. Die Anstalt soll den Namen Christinenstift trage. Dieselbe soll von Nonnengeleitet werden, vorzugsweise von den Schwestern zum Hl. Augustinus in der Kupfergasse zu Köln.

Der Vorstand soll bestehen:

1.    vom jeweiligen Bürgermeister von Unkel

2.    vom jeweiligen katholischen Pastor

3.    von einem vom Gemeinderat zu erwählenden Mitglied

4.    von meiner Person oder einem von mir zu bestimmenden Nachfolger.

Indem ich Sie bitte, dies zur Kenntnisnahme der Königlichen Regierung und des Gemeinderates von Unkel zu bringen, verbleibe ich

Hochachtungsvoll

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August Neven DuMont

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Mit diesem Vorhaben stand August Neven DuMont ganz in der Stiftungstradition eines selbstbewussten und von christlicher und sozialer Verantwortung geprägten Bürgertums.

 

Nachdem es in Kurköln jahrhundertelang eine auf Freiwilligkeit begründete Armenfürsorge unter der Verwaltung der Kirche gegeben hatte, brachte im letzten Jahrhundert die Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche einen gesellschaftlichen Säkularisierungsschub. Mit den preußischen Kirchengesetzen ab 1870 fand eine Verdrängung der Kirche aus dem öffentlichen Leben statt. So ging in Unkel 1880 nach hartnäckigen Auseinandersetzungen vor Gericht zwischen dem Bürgermeister und dem streitbaren Pfarrer Stolten als Vorsitzenden der Localarmenverwaltung die Armenfürsorge endgültig an die Gemeinde über.

Vor diesem Hintergrund bildet die Stiftung von August Neven Du-Mont aus dem Jahre 1898 mit der Bestimmung einer von christlichen Werten geprägten Führung eine Betonung der Kirche. Aus dem Selbstverständnis vom Leben in einer mitverantworteten Gemeinschaft heraus stellt sie zugleich einen fortschrittlichen Ansatz dar, die Zivilgemeinde dabei zu unterstützen, ihre Aufgabe einer überkonfessionellen, alle Lebenslagen umfassenden Fürsorge für ihre Bürger zu erfüllen.

 

Die Stadt nahm die großzügige Stiftung an. Ein Jahr später, am 4. September 1897 erteilte die Regierung in Berlin ihre Zustimmung; die Genossenschaft der Cellitinnen zu St. Maria in der Kupfergasse zu Köln durfte eine Niederlassung zur Krankenpflege errichten und in Verbindung damit die Pflege und Unterweisung von Kindern katholischer Konfession, welche sich nicht im schulpflichtigen Alter befanden, in einer neu zu errichtenden Kleinkinderbewahranstalt – diese wurde 1900 an der Nordseite gebaut – sowie die Bildung und Unterweisung in einer Haushaltungsschule für katholische Mädchen in nicht schulpflichtigem Alter als Nebentätigkeit übernehmen.

 

Mit den Cellitinnen wurde ein Vertrag geschlossen, in dem sich der Orden verpflichtete, gemäß dem Stifterwillen die Krankenpflege auszuüben – wobei besonders das Interesse der Armen gewahrt werden musste. Es wurde vereinbart, dass die armen Kranken, die die Gemeinden Unkel und Scheuren dem Orden zur Pflege zuwiesen, zu einem Pflegesatz von einer Mark pro Tag und Person verpflegt wurden. Soweit der Raum reichte, mussten auch Kranke der übrigen Ortschaften der Bürgermeisterei Unkel zu diesem Satz in Pflege genommen werden.

Über die von der Familie Neven DuMont bereitgestellten 12.000 Mark hinaus finanzierte die Gemeinde den Neubau und die Erweiterung durch einen Kredit in Höhe von 35.000 Mark, dessen Zinsen und Amortisation die Cellitinnen übernahmen.

Im Anschluss an den alten Zehnthof entstand ein dreigeschossiger quadratischer Neubau aus Bruchsteinen mit den charakteristischen hohen Treppengiebeln, die das Gebäude noch heute krönen. Er enthielt ein kleines Krankenhaus, das zehn Patienten und mehr aufnehmen konnte, betreut von vier Ordensschwestern und zunächst dem Anstaltsarzt Dr. Pfahl, dem früheren Besitzer des Zehnthofes, später von Dr. Hintze.

Darüber hinaus konnten ein Mansardengeschoss streng getrennt von dem Krankenhausbetrieb, einige „hilflose“ Bürger, so genannte Pfründner, Unterkunft finden. Das Gebäude war für die damalige Zeit außerordentlich gut eingerichtet mit Zentralheizung, einer Trinkwasser- und einer Brauchwasserleitung, die das Etagenbad und die WC’s mit Wasser versorgte.

 

Die Einweihung fand am 22. Mai 1898 statt. Der Stifter August Neven DuMont war bereits 1896 gestorben, seine Familie nahm jedoch aufs herzlichste Anteil am Geschehen. Das Haus erhielt nach dem Wunsch des Stifters den Namen seiner Ehefrau „Christinenstift“. Der Sohn, Dr. Josef Neven DuMont, schrieb zwei Tage nach der Einweihungsfeierlichkeit:

Köln, 24. Mai 1898

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

Im Namen meiner leider durch schwere Krankheit behinderten Mutter und meiner sämtlichen Geschwister und im eigenen Namen gestatte ich mir, Ihnen und der durch Sie vertretenen Gemeinde unseren verbindlichsten Dank zu sagen für das schöne Fest, dass Sie bei Gelegenheit der Einweihung des Christinenstiftes veranstaltet haben... Möge das Haus selbst seinem guten Zweck dauernd dienen und mögen die Mitglieder der Gemeinde, die einmal von Schmerzen und Leid nicht verschont bleiben, alle die Hilfe und Linderung dort finden, die menschliche Kunst, menschliche Teilnahme und die Fürsorge der barmherzigen Schwestern den Mitmenschen zu bieten im Stande sind. Möge auch die Gemeinde selbst sich noch lange der fürsorglichen Leitung der weltlichen und geistlichen Behörden erfreuen, die in so einträchtigem Zusammenwirken die Einrichtungen des Christinenstiftes fördern und vollenden halfen.

Indem ich Sie bitte, unseren Dank in geeigneter Weise auch zur Kenntnis der Gemeinde und ihrer Vertretung bringen zu wollen, zeichne ich mit dem Ausdruck meiner vollkommenen Hochachtung

Ihr ganz ergebener

Dr. J. Neven DuMont

 

Diese enge Verbindung der Stifterfamilie zum Christinenstift blieb über Jahrzehnte hinweg erhalten; durch den Sitz im Kuratorium nahmen sie engagiert Anteil an dem Leben im Christinenstift, die Familie Neven DuMont aus Köln, aber auch die Unkel lebende Frau Elisabeth von Werner. –

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Das Leben im Christinenstift -  Spiegelbild einer  umfassenden christlichen Armenfürsorge in einer sich entwickelnden Zivilgemeinde

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Im Bewusstsein der Unkeler Bevölkerung selbst fand das Anliegen des Christinenstiftes und die Armenfürsorge schnell Eingang und tätige Unterstützung, wie es sich in den Satzungen der zahlreichen Vereinsgründungen jener Jahre widerspiegelt. Im Jahr 1899 bestimmte die geschlossene Gesellschaft „Casino“ zur Pflege der Geselligkeit, dass ihr Vermögen bei Auflösung dem Christinenstift zufallen sollte. Das Gleiche galt für den Unkeler Kegel- und Rauchclub von 1902. Man gedachte der Hilfsbedürftigen ebenso im Kegelverein „Frohsinn“ oder im „Geschlossenen Rauchclub von 1901“ oder in der Karnevalsgesellschaft von 1904 – das gesellige Leben Unkels blühte auf, ohne dabei die Armen zu vergessen.

 

Das Krankenhaus wurde von der Bevölkerung gut angenommen. Für die knapp 1300 Einwohner Unkels einschließlich Scheuren und Heister standen drei Jahre später im Jahr 1901 bereits die doppelte Bettenzahl zur Verfügung; sechs für Männer, zehn für Frauen und vier für Kinder, also 20 Betten.

 

Schon vier Jahre nach der Einweihung im Jahr 1902 ging man an einen Umbau – davon zeugt die Jahreszahl 1902 am Eingang. Das Christinenstift erhielt nun weitgehend seine heutige Erscheinungsform. Das alte Bruchsteingebäude wurde durch einen neuen Teil aus Ziegelsteinen ergänzt und einheitlich verputzt. Die Ecken des Gebäudes wurden analog dem alten Gebäude mit Bruchsteinquadern eingefasst. Die äußeren Fenster und Türumrahmungen wurden in Hausteinen ausgeführt. Praktischerweise erhielt das Stift einen Hühnerstall und einen Kuhstall mit drei Ständen – angesichts eines Milchpreises von 0,10 Mark und einem Tagespflegesatzes von nur einer Mark sehr hilfreich bei der Wirtschaftsführung.

Wiederum brachte sich die Familie Neven DuMont in großzügiger Weise ein und gab zu den Gesamtkosten von 50.000 bis 60.000 Mark einen Zuschuss in Höhe von 20.000 Mark. Des Weiteren übernahm sie die Modernisierung der Zentralheizung in Höhe von 5.500 Mark – sicherlich eine große Erleichterung für die Schwestern bei der Bewirtschaftung des großen Gebäudekomplexes.

 

Mit dem Orden wurde ein neuer Vertrag geschlossen, unkündbar auf 50 Jahre, also bis zum Jahr 1952. Dabei sagte der Orden zu, die höchst niedrig bemessenen Kranken- und Pflegegelder und Schulgelder, soweit die Gemeinden Unkel und Scheuren betroffen waren, darin festzuschreiben. Soweit der Raum reichte, mussten auch weiterhin Kranke der übrigen Ortschaften der Bürgermeisterei Unkel zu diesem Pflegesatz angenommen werden. Bei Beendigung des Vertrages sollten alle Mobilien und Immobilien an die Gemeinde Unkel zurückfallen. Der Orden trug während der Laufzeit des Vertrages sämtliche Instandhaltungskosten und übernahm Teile des Kapitaldienstes für das aufgenommene Darlehen – insgesamt eine folgenreiche Vereinbarung, die später häufig zu Klagen seitens des Ordens führte.

 

Im Jahr 1903 entstand durch einen kleinen Anbau an der Südwestecke eine Hauskapelle.

 

Der Krankenhausplan des Kreises weist für das Christinenstift im Jahr 1908 bereits 50 Plätze aus: zehn für Männer, 25 für Frauen, fünf für Jungen und zehn für Mädchen.

 

1909 bat der Orden um Heraufsetzung des Pflegesatzes von einer Mark auf 1,50 Mark. Der Gemeinderat – auch damals stets den Stadtsäckel im Blick – bewilligte jedoch nur 1,30 Mark. Bürgermeister Biesenbach startete eine Umfrage unter zwölf seiner Amtskollegen in den Nachbargemeinden über die Höhe des Pflegesatzes für arme Kranke. Dabei ergab sich eine Spannweite zwischen 1,00 Mark und 1,50 Mark – ein Bruchteil dessen, was von den übrigen Patienten zu zahlen war. Beispielsweise lagen die Pflegesätze für Patienten der 2. Klasse im Dierdorfer Johanniterkrankenhaus bei 3,00 Mark und in der 1. Klasse bei 6,00 Mark, also etwa dem vierfachen. Schließlich gab der Unkeler Rat dem Antrag des Stiftes statt und beschloss einen Pflegesatz von 1,50 täglich für Erwachsene und 0,85 Mark für Kinder.

 

Im Jahr 1911 wurden die Waisenkinder anderweitig untergebracht, da die ihnen zur Verfügung stehenden Räume im Dachgeschoss nicht zum Aufenthalt geeignet waren.

Die Kinderbewahrschule wurde von 40 Kindern besucht und stand unter der Leitung der Oberin des Christinenstiftes.

 

Ab 1912 entwarf man Pläne für einen weiteren Umbau des Christinenstiftes, der neben einer Erweiterung eine Verlegung und Vergrößerung der Hauskapelle beinhaltete. Die Erhöhung der Sitzplätze in der Kapelle auf 106 wurde notwendig, weil sich namentlich in den Sommermonaten viele Personen in dem Haus aufhielten, die ihre dort lebenden Angehörigen über einen längeren Zeitraum hinweg besuchten. Im Jahr 1909 war bereits an den Speisesaal eine Terrasse angebaut worden, um den Gästen den Urlaub im Christinenstift angenehmer gestalten zu können. 1913 verbuchte das Christinenstift immerhin 145 Sommergäste – ein Zubrot, das vom Stifter eigentlich nicht vorgesehen war, aber die Erfüllung seines Stifterwillens gegenüber den Hilfebedürftigen erleichtern half. Überhaupt, die Besonderheiten, die die Bewirtschaftung eins derartig großräumig und großzügig angelegten Komplexes mit sich brachten, kamen in dem Brief des Bürgermeister Biesenbach an den Landrat vom Dezember 1912 eutlich zum Ausdruck:

Die Anstalt Christinenstift ist ein in der Nähe des Rheinstromes gelegener herrlicher Besitz mit prächtigen Gartenanlagen. Die Anstalt ist nur dadurch rentabel, dass die dieselbe mit Vorliebe von Pflegebedürftigen der wohlhabenden Klassen aufgesucht wird. Ein Isolierhaus (das mit der Baugenehmigung für die Erweiterung geforderte wurde, Anm.) aber, würde nicht nur die Schönheit der Anlage wesentlich beeinträchtigen, sondern es besteht auch die Gefahr, dass gerade die wohlhabenden Besucher dann die Anstalt meiden würden, weil ein Isolierhaus der ganzen Anstalt den typischen Charakter eines Krankenhauses verleihen würde...

 

Immerhin verfügte das Christinenstift in den dreißiger Jahren über eine eigene Ausschankerlaubnis.

 

Die Baupläne kamen unter den Kriegswirren nicht zur Ausführung. Im Ersten Weltkrieg diente das Christinenstift als Lazarett, das von dem Anstaltsarzt Dr. Hintze ärztlich betreut wurde.

 

Die Nöte und Turbulenzen der Nachkriegszeit spiegelt sich in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Stiftes wider:

1918, im Jahr des Kriegsendes, lag der Pflegesatz bei 2,50 Mark. Ab 1. Januar 1920 wurde er auf 4,50 Mark festgesetzt. Oberin Marcella schrieb in Ihrem Antrag:

Da nämlich die Teuerung auf allen Gebieten fast täglich zunimmt, so sind wir trotz intensivster Bestrebungen leider nicht mehr in der Lage, Ihren Kranken und Altersschwachen unter den bisherigen Bedingungen die erforderliche Verpflegung zu bieten. Es sei ganz ergebenst darauf hingewiesen, dass wir unseren Pfleglingen nicht bloß hinreichende Nahrung gewähren, sondern dieselben auch mit der notwendigen Kleidung, Wäsche, Schuhen usw. versorgen. (Brief 12. Januar 1920)

 

Danach überschlugen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und in immer kürzeren Abständen erfolgte eine stufenweise Erhöhung von 6,00 Mark auf 7,50, dann auf 10,00 Mark und schließlich auf 20,00 Mark. Am 1. August 1922 musste der Pflegesatz von 40,00 auf 60,00 Mark heraufgesetzt werden. Am 15. September des gleichen Jahres bereits sah sich Oberin Marcella genötigt, eine Erhöhung auf 100,00 Mark zu beantragen. Die Inflation galoppierte und wurde erst durch die Rentenmark 1923 gestoppt.

 

Die Erweiterungspläne aus der Vorkriegszeit mit dem Bau einer neuen Kapelle konnten erst am der wirtschaftlich stabileren Zwischenzeit 1928 verwirklicht werden. Am 23. Oktober 1928 erfolgte die Grundsteinlegung für den Kapellenneubau. Der Text der Urkunde lautet:

Am 23. Oktober des Jahres 1928,

als Papst Pius XI. Oberhaupt der Katholischen Kirche zu Rom, Kardinal Karl Joseph Schulte Erzbischof von Köln, Joseph Vogt erzbischöflicher Generalvikar in Köln, Pfarrer Leopold Schlösser Dechant des Dekanates Königswinter, Definitor Joseph Vaassen Pfarrer von Unkel, Prälat Joseph Breuer erzbischöflicher Klosterkommissar zu Köln, Schwester Norberta Tix Generaloberin des Ordens der Cellitinnen zur heiligen Maria in der Kupfergasse zu Köln, Schwester Liguori Oberin des Christinenstifts in Unkel war, als ferner Generalfeldmarschall von Hindenburg Präsident des Deutschen Reiches, Dr. Fuchs Oberpräsident der Rheinprovinz, Dr. Brandt Präsident des Regierungsbezirkes Koblenz, Regierungsrat Grossmann Landrat des Kreises Neuwied, Joseph Decku Bürgermeister des Amtes Unkel, Maximilian Fels Gemeindevorsteher in Unkel und als Bürgermeister Decku, Pfarrer Vaassen, Kommerzienrat Neven DuMont und Heinrich Hattingen Mitglieder des Kuratoriums des Christinenstifts Unkel waren,

wurde unter der Bauleitung des Architekten Hermann Neuhaus, Köln, der Grundstein des Christinenstift-Anbaus nebst St. Josephs-Kapelle ausgeführt und hierzu gelegt.

In schönem Einverständnis zwischen den zuständigen kirchlichen und weltlichen Behörden konnten alle Vorbedingungen zum Bau geschaffen werden. Möge der Geist der Eintracht und Einigkeit, wie er sich hier gezeigt, allezeit fortbestehen, zum Segen für Kirche und Vaterland, zum Segen auch für das Christinenstift und die Gemeinde Unkel.

 

Die neue Hauskapelle konnte bei voller Besetzung nunmehr 160 Besucher aufnehmen; im Übrigen kamen durch die Erweiterung elf Räume und zwölf Betten hinzu.

Der Erweiterungsbau erhielt ein Doppelpappdach, für spätere Jahre wurde eine Erhöhung und ein Ausbau des gesamten Dachgeschosses gleich mit beantragt. Im Bauerlaubnisschein der Behörde vom 6. August 1928 heißt es dazu:

Der die jetzige Baugruppe einheitlich überdeckende (geplante) Mansarddachaufbau ist spätestens innerhalb der nächsten 20 Jahre gemäß der Unterlagen zur Ausführung zu bringen, weil die jetzige Staffelgiebelarchitektur in ihrem missverstandenen und überaus unglücklichen Proportionen einer Verunstaltung gleichkommt und überdies überflüssige Unterhaltungskosten verursacht. – Wie wir alle wissen, die Verfügung kam nicht zum Tragen, die Staffelgiebelarchitektur prägt noch heute mit das Ortsbild von Unkel.

 

Die Kosten der Baumaßnahme beliefen sich auf 85.000 Mark. Die schwierige wirtschaftliche Situation jener Jahre wird deutlich in der Abrechnung des Architekten, in der er um die Auszahlung seiner Abrechnung bat, da er seit einigen Monaten ohne nennenswerten Auftrag war und auch keinen erwarten konnte.

 

In der Liste der am Bau beteiligten Firmen gibt ein Bild des sich in Unkel entwickelnden Gewerbes wieder; beteiligt sind beispielsweise:

Rohbau:                        Schopp, Christ und Richarz aus Unkel

Schreinerarbeiten:        Daniel Hafen, Robert Aschenbrenner, Josef Menden, Heinrich

                                      Schmülling, Heinrich Niedecken und Heinrich Irmgartz

Anstreicherarbeiten:     Gomber, Albert, Josef und Johann Mohr

Installation:                    Josef und Heinrich Heinen, Adam Euskirchen

Schlosserarbeiten:        Heinrich Richarz und Anton Jonen

Linoleum:                      Anton Mohr

Der Grundstein für die Kapelle wurde für 38,00 Mark von der Firma Josef Söller geliefert.

 

Das Leben im Christinenstift wurde durch die Einwirkungen des Zweiten Weltkrieges unterbrochen, als das Haus 1944 wiederum als Lazarett diente und 1945 viele Unkeler beim Einmarsch der Amerikaner dort eine vorübergehende Unterkunft fanden.

 

Nach Kriegsende 1946, also sechs Jahre vor Ablauf des alten Vertrages, vereinbarte man eine Vertragsverlängerung um weitere 30 Jahre bis zum 31. März 1982.

Allerdings änderte sich das Wirken des Stiftes. Nach dem ursprünglichen Vertrag sollte das Christinenstift insbesondere Krankenstation sein und war dies wohl auch bis etwa um die Zeit von 1940. Nach einer Verfügung der Bezirksregierung Koblenz vom 20.05.1943 wurde die Genehmigung zur Errichtung einer Krankenabteilung jedoch zurückgenommen, da die Einrichtungen nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Hiervon blieb aber die Wöchnerinnen-Station zunächst unberührt. Sie musste erst 20 Jahre später im Jahr 1973 ihre Pforten schließen.

 

Den großen finanziellen Problemen, die die ordnungsgemäße Instandhaltung des aufwendigen Gebäudes in zunehmendem Maße mit sich brachte und die den Orden überforderten, trugt der Unkeler Stadtrat durch Übernahme größerer Reparaturen und Einbauten Rechnung. Im Vertrag von 1970 wurde der Orden aus derartigen Verpflichtungen, wie sie in den alten Verträgen von 1902 beziehungsweise 1946 festgeschrieben waren, formal befreit.

 

Die konnte jedoch nicht hindern, dass der Kindergarten 1974 aus personellen Gründen in die Obhut der Stadt übergeben wurde. Es blieb das Altenheim mit 34 Betten, betreut von zehn Schwestern.

 

Schließlich teilte die Generaloberin Mutter Julitta der Stadt Unkel endgültig mit, dass dem Orden aus Gründen des Schwesternmangels eine Verlängerung über das Vertragsende am 31. März 1982 hinaus nicht möglich sei – ein Abschied der Cellitinnen vom Christinenstift also nach 84 Jahren. Als Dank für ihr segensreiches Wirken wurde die Straße am Christinenstift stellvertretend für alle Schwestern nach Schwester Cornelia benannt, die 50 Jahre hier ihren Dienst tat. Die gemeinschaftliche Grabstätte der Schwestern auf dem Friedhof hält die Erinnerung an ihr Wirken im nahegelegenen Christinenstift wach.

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Das Christinenstift heute - Ort einer von einem christlichen Geist geprägten modernen Altenpflege für die Bürgerinnen und Bürger der Verbandsgemeinde Unkel

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In Nachfolge der Cellitinnen trat das Provinzialat der Franziskanerinnen vom hl. Josef, vertreten durch die Provinzialoberin Schwester Monika Schulte, in den auslaufenden Betriebsträgervertrag mit der Stadt ein. Zwischen beiden Vertragsparteien bestand Einigkeit darüber, dass durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen und eine Erweiterung die Grundlage für ein modernes Altenheim und Pflegeheim gelegt werden sollte.

1983 erfolgte die Übertragung des Christinenstiftes an das Provinzialat der Franziskanerinnen mit der vertraglichen Vereinbarung, das Altenheim Christinenstift weiterzuführen und den Stifterwillen zu erfüllen. Weiterhin sollten vorrangig die alten Bürger aus Unkel und der Verbandsgemeinde Aufnahme finden.

 

1984 fasste der Unkeler Stadtrat folgenden Beschluss:

Um die Zukunft des Christinenstifts zum Wohle der Bewohner unserer Stadt, der Verbandsgemeinde und des Kreises zu sichern, soll das Altenheim dem Bedarf entsprechend saniert und erweitert werden, wobei aus städtebaulichen wie auch kulturhistorischen Überlegungen der Altbau und der Park erhalten bleiben müssen.

 

Die Gesamtkosten beliefen sich auf ca. 11 Millionen D-Mark – eine riesige Kraftanstrengung für die Gemeinde, die nur unter Beteiligung vieler aufzubringen war. Die Finanzierung wurde getragen von Land, Kreis und Verbandsgemeinde, von Orden und Erzbistum, vor allem aber der Stadt Unkel selbst.

Das Stift bietet nunmehr 72 Bewohnern – Männern und Frauen – ein Zuhause.

Der Gebäudekomplex verbindet harmonisch historische Bausubstanz und modernen Erweiterungsbau miteinander. Der First des Neubaus führt die Traufhöhe des alten Gebäudes fort und schafft damit einen geschlossenen Eindruck von altem und neuem Bauteil. Die vierfache Giebelung des Dachfirstes im Neubau greift die – zuvor so geschmähte – charakteristische Stufengiebelarchitektur des alten Baues auf und setzt es ... Weise um, die dem Neubau Licht und Leichtigkeit verleiht. Zur lebendigen Ausstrahlung des Gebäudes gehört auch der üppige Blumenschmuck, der dank seiner Fülle und Farbenpracht jedes Jahr mit einem Preis des Kur- und Verkehrsvereins (Anmerkung: KuV – heute TuG) bedacht wird. Im Mittelpunkt des Gebäudekomplexes, von Alt und Neu umrahmt, steht die neue Kapelle als Nachfolgerin der alten von 1928, die dem Erweiterungsbau weichen musste. Die rheinseitigen Parkanlagen mit den alten Bäumen sind von den Baumaßnahmen unberührt geblieben und die Platane, von der Adele Schopenhauer so begeistert schrieb, überschattet mit ihrer mächtigen Krone den Giebel des Neubaus. Der Besucher des ehrwürdigen Pantaleonsbergs fühlt sich immer noch an den Ausspruch von Stefan Andres erinnert: „Dieser Ort ist so voller Frieden. Sogar die Vögel erscheinen mir zutraulicher als anderswo.“

 

1994 löste der Orden den Stifterwillen – soweit er die Jugend- und Kinderarbeit betraf – bei der Stadt ab und es erfolgte eine Verlagerung des städtischen Kindergartens vom Grundstück des Christinenstifts. Gegen eine Ablösesumme des Ordens verpflichtete sich die Zivilgemeinde Unkel, den Stifterwillen zur Entlastung der Franziskanerinnen, soweit er die Kinder- und Jugendarbeit betraf, zu übernehmen. Dadurch wurde der Weg frei für zusätzliche Baulichkeiten und die Einrichtung einer neuen Form der Altenhilfe, des Betreuten Wohnens.

 

Das Christinenstift Unkel ist in den 100 Jahren seines Bestehens einen weiten Weg gegangen. Am Anfang stand der Ort, wo den Bürgern Unkels umfassende Hilfe in Krankheit und sozialer Not zuteil wurde und wo sie Begleitung bei Geburt und Tod erfuhren.

 

Am Ende des Jahrhunderts ist eine eigene Lebenswelt entstanden für diejenigen unserer älteren Mitbürger, die aus Gründen der Gesundheit und des Alters der Unterstützung und Pflege bedürfen. Die Stiftung trägt damit den gewandelten Verhältnissen unserer Gesellschaft Rechnung. Der Anteil der alten Menschen in unserer Bevölkerung nimmt zu und es wird andererseits immer weniger möglich, die letzten Lebensjahre im Verbund der Familie und des Freundeskreises zu erleben. Dies spiegelt sich auch in der Lebenswirklichkeit unserer Gemeinde wieder: Über die Hälfte der 72 Plätze des Stiftes sind von Unkeler Bürgern belegt, die übrigen Bewohner kommen fast vollständig aus dem Bereich unserer Verbandsgemeinde.

 

Wir leben in einer Gesellschaft, in der ein eng geknüpftes soziales Netz dem Einzelnen materielle Hilfe für viele Lebenslagen bereitstellt. Wir müssen aber gleichzeitig feststellen, dass sich im Zusammenleben einer Gemeinschaft nicht alles in Mark und Pfennig ausdrücken lässt. Wir erfahren vielmehr, dass eine Gemeinschaft erst dann ein wahrhaft menschliches Antlitz hat, wenn der Einzelne bereit ist, Verantwortung für den Nächsten zu übernehmen und wenn der Umgang miteinander von aufrichtiger Herzenstugend geprägt ist – von der Achtung und dem ewig wachen Respekt vor der Seele des Anderen:

„...und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle, schreibt Apostel Paulus im Ersten Korintherbrief.

 

Den Menschen ein Alter in Würde zu ermöglichen, unter Wahrung größtmöglicher Lebendigkeit und Beweglichkeit ihnen dieses Haus zur Heimat zu machen, wo sie Geborgenheit, Verständnis und Wohlbefinden erleben, so lautet die moderne Aufgabe der Stiftung Neven DuMonts.

 

Sehr verehrte Schwestern im Christinenstift, Sie haben dieses schwere, aber auch schöne Amt in unserer Gemeinde im Sinne christlicher Caritas übernommen. Sie geben dadurch Ihre Antwort auf unsere Zeit. Wir danken Ihnen dafür. Möge das Jubiläum zugleich Appell an uns alle sein, den Gedanken der Stiftung mit dem freimütigen Bürgersinn und der Tatkraft eines August Neven DuMonts in das nächste Jahrhundert und Jahrtausend zu tragen!

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